Termin vereinbaren mit
Damit Sie einen Termin vereinbaren können, wird der Kalender auf dem persönlichen Profil Ihres Ansprechpartners in einem neuen Tab geöffnet.
Vor-Ort-Termin vereinbaren mit
Damit Sie einen Vor-Ort-Termin vereinbaren können, wird die Terminanfrage in einem neuen Tab geöffnet.
Die Zeit der Provisorien ist vorbei
Die Jahre zuvor waren von diversen Umzügen vor allem der Professoren innerhalb Weihenstephans geprägt. Die Praktika wurden seit einigen Jahren im Löwentorgebäude und im Lebensmitteltechnikum der HSWT am Staudensichtungsgarten abgehalten, die Vorlesungen in den Hörsälen am Weihenstephaner Berg. „Wir waren bisher nur Gäste“, erzählt Prof. Ruß. „Innerhalb der HSWT-Familie hat man uns sehr unterstützt, Laborräume freigeräumt und uns auf Jahre überlassen. Das war toll und alles andere als selbstverständlich. Aber uns war auch klar, dass dies keine optimale Lösung war oder auf Dauer Bestand haben sollte. Die Zeit der Provisorien ist jetzt endlich vorbei! Ein großes Lob gebührt den Studierenden dieser ersten Jahrgänge, denen der Improvisationscharakter der Startphase bewusst war, das aber gerne mitgetragen haben“, betont er ausdrücklich.
Unterstützung aus der Politik
Prof. Ruß berichtet weiter, dass nach der ersten Zeit, in der der Aufbau des Studienganges im Vordergrund gestanden hatte, der Wunsch nach einem eigenen Technikum entstand. Aber erst Kontakte zu Mitgliedern des bayerischen Landtags ließen die Hoffnung auf einen Neubau aufkeimen. „Vor allem Dr. Lothar Ebbertz vom Bayerischen Brauerbund hat die Notwendigkeit eines Neubaus erkannt und uns stark unterstützt. Ihm ist es zu verdanken, dass Staatsminister Bernd Sibler und Florian Herrmann als Leiter der Bayerischen Staatskanzlei auf unsere Situation aufmerksam wurden und sich für uns stark gemacht haben.“
Nach Bewilligung der Mittel im Frühjahr 2016 folgte eine kurze, aber umso intensivere Planungsphase in Zusammenarbeit mit dem Architektenteam im Staatlichen Bauamt in Freising. Bereits im September 2018 fand der offizielle Spatenstich statt. Zwei Jahre später war der Neubau fertig. Entstanden ist auf einer Grundfläche von 2500 qm ein dreigeschossiges Gebäude mit verschiedenen Technikums-, Labor- und Seminarräumen, Büros und einem Sensorikraum. Kosten- und Zeitplan wurden eingehalten, 10,8 Mio EUR verbaut. Hinzu kommen 800 000 EUR Erstausstattung vom Bayr. Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. „Klingt viel, relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass davon alles, vom Papierkorb bis zum Mikroskop, bestritten werden muss“, gibt Prof. Ruß zu bedenken.
Das Herzstück: das große Technikum
Der Rundgang mit Prof. Winfried Ruß startet im beeindruckendsten Raum des Neubaus, dem großen Technikum. Eigentlich liegt es im Obergeschoss. Durch die Hanglage gelangt man jedoch von Norden ebenerdig durch Stapler-taugliche Türen in das Technikum, in dem die vom Lebensmitteltechnikum der HSWT umgezogenen Brauanlagen stehen. Der Raum ist großzügig angelegt, hell und luftig – der Hauptarbeitsplatz von Prof. Martin Krottenthaler und Technikumsleiter Johann Stammler. 16 Studierende können sie hier gleichzeitig betreuen. Durch die verglaste und zu öffnende Westseite in Kombination mit den großen Dachfenstern auf dem ansonsten begrünten Dach lassen sich Dampfschwaden ohne mechanische Lüftung entfernen, auch wenn Sude auf dem Plan stehen. „Geschrotet wird übrigens draußen, im Trockenen“, erklärt Prof. Ruß und führt unter das weit auskragende Dach an der Nordseite, „und das erspart uns auch die Explosionsschutz-Maßnahmen im Technikum.“
Die Strategie: mobil bleiben
Hygiene ist ein dominierendes Thema, dem die Anordnung der weiteren Technikumsräume folgt. Denn auch wenn draußen geschrotet wird, so gelangen doch durch den Publikumsverkehr unweigerlich Schmutz und Staub hinein. Neben dem großen Technikum liegt daher, quasi als räumlicher Puffer, das „Verfahrenstechnikum“, wo Versuche für Bachelorarbeiten oder spezielle Analysen durchgeführt werden können, bevor es ins Kalt-Technikum gleich daneben mit den Anlagen fürs Filtrieren und Abfüllen geht.
Die Dampf- und Druckluftversorgung erfolgt nicht über eine zentrale Anlage, wie sonst üblich, sondern mobil. „So können wir sie flexibel einsetzen, wann und wo sie gebraucht wird. Wir nutzen in der Ausbildung die Anlagen nicht in der Häufigkeit wie im Praxisbetrieb, daher haben wir auch andere Anforderungen. Mit den mobilen Anlagen haben wir die Reinigung besser im Griff“, so Prof. Ruß.
Ebenfalls im Obergeschoss liegt das Labor für Chemisch-Technische Analyse. Hier lernen die angehenden Brauer unter Anleitung von Prof. Krottenthaler und seinem Arbeitskollegen Martin Kirsch die klassischen Analysen dieses Bereichs.
Mikrobiologie- und Technikzentrale im Erdgeschoss
Im Erdgeschoss sind die Laborräume für die Mikrobiologie inklusive Forschungslabor und Kurssaal untergebracht, das neue Reich von Mikrobiologe und Wasserspezialist Prof. Volker Müller-Schollenberger und der technischen Assistentin Hanna Beer. In diesem Bereich waren besondere Maßnahmen nötig, da der Betrieb dieses Bereiches unter S2-Sicherheitsbedingungen erfolgen soll. Auch hier können 16 Studierende gleichzeitig ausgebildet werden. Dazu sind unter anderem hochwertige, digital vernetzte Mikroskope vorgesehen, die mit 150 000 EUR Anschaffungskosten ein großes Loch in den Finanztopf der Erstausstattung reißen, wie Prof. Ruß erinnert.
Durch die Hanglage taucht das Erdgeschoss nach Norden in das Gelände ein. Der richtige Platz für die Technikzentrale und Lagerräume, die ohne Tageslicht auskommen. Und trotzdem gibt es auch hier Interessantes zu entdecken. „Beheizt und gekühlt wird das Gebäude nämlich über eine sogenannte Bauteilaktivierung der Betondecken. Die Kälte wird dabei direkt dem saisonalen Erdwärmespeicher entnommen. Die Rückkühlung des Speichers erfolgt durch die für die Labore angesaugte kühle Außenluft, die dabei entsprechend vorgewärmt wird. Nur für die Prozesskühlung ist eine Kältemaschine installiert. Um in den Laboren im Sommer den Wärmeeintrag durch den hohen Luftwechsel zu verhindern, ist die Lüftungsanlage mit einer adiabaten Kühlung ausgestattet. Zusätzlich erforderliche Wärme stammt aus dem campuseigenen Fernwärmenetz, das durch ein etwa zwölf Kilometer nördlich von Freising liegendes Heizkraftwerk gespeist wird“, erklären die Architekten das Prinzip.
Und wo wir gerade beim Thema Energie sind: Auf dem nach Süden geneigten Teil des Daches ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 25 kWp installiert. Der so gewonnene Strom deckt einen Teil des Bedarfs im Gebäude. Die Beleuchtung erfolgt ausschließlich über LED. Highlight am Rande: Es gibt zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge und – dank großzügiger Unterstützung der Krombacher Brauerei – auch für E-Bikes.
Weitere Perlen unterm Dach
Im Dachgeschoss liegen nicht nur die Büros der Professoren und Mitarbeiter. Hier befinden sich auch ein Seminarraum und der hochmoderne Sensorikraum mit einem abgetrennten Ausmischraum. „Wir wollen den Studierenden die Kunst der Sensorik vermitteln. Es geht natürlich um das möglichst objektive Aufspüren von Fehlern in Getränken, aber vorrangig um das Erlernen von Fähigkeiten. Daher haben wir uns für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch unter den Studierenden im Rahmen der Ausbildung und gegen die sonst üblichen Kabinen entschieden“, sagt Prof. Ruß. Die beiden nebeneinanderliegenden Räume lassen sich für größere Veranstaltungen und Tagungen für bis zu 130 Teilnehmer zusammenlegen. Sofern man sich nicht durch den freien Blick auf den gegenüberliegenden Weihenstephaner Berg ablenken lässt.
Fazit
Die Nutzer des HSWT-Neubaus können sich über ein bis ins Detail durchdachtes Gebäude freuen. Ob Lehrkörper, Studierende oder Zulieferer – in den vielen Details, die die Arbeit leichter, besser und angenehmer machen, erkennt man eines ganz genau: Die Zeit der Provisorien ist endgültig vorbei.