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Hopfen und Strom
Der Hof von Josef Wimmer liegt in der Nähe von Au in der Hallertau. Auf den 32 Hektar, die er bewirtschaftet, steht ausschließlich Hopfen. Daneben ist er für die Allianz-Versicherung als Schadenseinsatzleiter für Hopfen deutschlandweit tätig. Heißt, wenn Hagelschäden auftreten, organisiert er die Schadensaufnahme im betroffenen Gebiet. „Was den eigenen Hopfen angeht, sind wir eher konventionell aufgestellt“, sagt Wimmer. Vier Sorten sind es insgesamt, Hallertauer Tradition, Perle, Hersbrucker und auf 50 Prozent der Fläche Herkules. Bewässerung hat er keine und will es auch in Kombination mit Photovoltaik ohne versuchen. Doch dazu später.
Der Hagelschutz im Obstbau brachte die Idee
Wimmer ist für die Allianz auch oft im Bodenseegebiet unterwegs. Dort hat er Apfelgärten gesehen, die ihn auf eine Idee gebracht haben: In den ausgedehnten Apfelbaumplantagen werden großflächig Netze aufgespannt, um die Äpfel vor Hagelschlag zu schützen. In Kressbronn am Bodensee sah er eine über den Apfelbäumen installierte Photovoltaik-Anlage, ebenfalls mit dem Ziel, vor Hagelschäden zu schützen, aber natürlich auch, um Strom zu gewinnen. „Das muss doch so auch beim Hopfen funktionieren“, dachte er sich. Sein Interesse war geweckt, denn schon seit fünf Jahren arbeitet er an der Idee, Hopfen mit Photovoltaik zu überdachen.
Unterstützung aus Politik und Wissenschaft
Über Dr. Erich Lehmair von der HVG kam Wimmer in Kontakt mit Max Trommsdorff vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, und die Idee für eine PV-Anlage über dem Hopfen nahm Gestalt an. Was fehlte, war die Finanzierung. Hier half ein Quäntchen Glück nach, denn Wimmer traf bei einer Veranstaltung auf den bayrischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der sich – genauso wie auch der Freisinger Landrat Helmut Petz – für das Thema begeistern konnte und Unterstützung anbot. Am 10. Juli 2023 schließlich konnte die erste Hopfen-Agri-Photovoltaik-Anlage eingeweiht werden.
Ein Forschungsvorhaben begleitet die Installation
Im Vergleich zu normalen Gerüstanlagen muss das Netz aus Drähten in sieben Metern Höhe auf sechs Meter zurückgesetzt werden. In sieben Metern Höhe werden die PV-Module angebracht. Ein Teil der Anbaufläche soll zum Vergleich ohne PV-Anlage bleiben. So sieht es der Plan für ein dreijähriges Forschungsvorhaben vor, das das Projekt wissenschaftlich begleitet. Mit dabei sind zum einen das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), das sich um die Fragen rund um die PV-Technik kümmert, zum anderen die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Weihenstephan (HSWT). Das dortige Institut für Gartenbau plant ein Projekt zu den pflanzenbaulichen Aspekten im Wimmer‘schen Hopfengarten, aber auch auf einer 1000 m2 großen eigenen Fläche in Weihenstephan. Im Projekt soll es um Themen wie Bodenwasser/Verdunstung, Krankheiten & Schädlinge, Agrotechnik (die Entwicklung einer spezielle Pflanzenschutzmittelspritze) oder Beschattung gehen.
Investitionsvolumen von über 1 Mio EUR
Ob er eine Förderung erhält? Nein, keine Förderung. Darum hat Wimmer auch ein weiteres Unternehmen gegründet, die AgrarEnergie GmbH & Co KG. So ist der Hof, den sein Sohn mal übernehmen möchte, geschützt, sollte es nicht klappen. Die Investition von über 1 Mio EUR musste er allein stemmen, aber die Unterstützung von Hubert Aiwanger sieht auch eine Bürgschaft seitens des Wirtschaftsministeriums vor. Trotzdem: Alle Beteiligten sind sehr optimistisch.
Viele Vorteile in Sicht
Die PV-Anlage über der Kultur hat viele Vorteile, das zeigen erste Erfahrungen aus dem Obstbau (der Apfelerzeuger plant übrigens gerade seine zweite Anlage). Diese Vorteile greifen auch beim Hopfen. Die Firma Tubesolar, die die Module herstellt, hat in Versuchen mit künstlichem Hagel festgestellt, dass die PV-Module bis zu 4 cm große Hagelkörner aushalten und den darunter wachsenden Hopfen schützen können. Die offen liegenden Röhren der PV-Module lassen Regen durch, da den Modulen (anders als bei solchen für Dächer) die abschließende Glasplatte fehlt. Trotzdem schützen die Röhren den Hopfen bei Starkregen vor Schäden.
Sonnenschutz für den Hopfen inbegriffen
Ein weiterer und zunehmend wichtig werdender Aspekt ist die Beschattung. Die Auenpflanze Hopfen leidet in den heißen Sommern der letzten Zeit zwar unter der Trockenheit, aber offensichtlich noch mehr unter der Sonneneinstrahlung. „Das bestätigen mir zumindest befreundete Hopfenpflanzer aus Tettnang, die im letzten Sommer trotz Bewässerung bzw. ausreichend Niederschlag auch eine geringere Ernte hatten“, betont Wimmer. Und das ist dann letztendlich auch der Grund, warum er das Thema Bewässerung erstmal bei Seite lässt.
Kompletteinspeisung
Natürlich ist der Ertrag beim Hopfen aber nur ein Aspekt. Die Photovoltaik-Anlage ist für Wimmer vor allem auch ein zweites finanzielles Standbein für seinen Hof, denn der Strom soll komplett eingespeist werden.
Andererseits müssen einige Nachteile, oder sagen wir besser Einschränkungen bedacht werden: Die Gerüstanlagen müssen stabil genug sein, um das Gewicht des wachsenden Hopfens plus der PV-Module zu tragen. Hinzu kommen ggf. Probleme mit der Schneelast im Winter oder auch starkem Wind. Daher ist in den Bauplänen auch die Zahl der Hopfensäulen erhöht, was zusätzlichen Aufwand bedeutet. Nicht zu vergessen, dass extrem große Hagelkörner die Röhren beschädigen können.
Großes Medieninteresse
Das Interesse an dem Pilotprojekt ist riesig, neben TV- und Print-Medien waren insbesondere auch Anbauer von Sonderkulturen zu Besuch: Ein spanischer Bauer, der Tomaten und Zucchini anbaut, ein fränkischer Winzer, sogar ein Niederländer kam in die Hallertau zur Besichtigung, nachdem er in einer deutschen Zeitung davon gelesen hatte.
Josef Wimmer ist von seiner Idee überzeugt. Er plant schon darüber hinaus und kann sich vorstellen, den selbst erzeugten Strom im Sommer für die Hopfentrocknung einzusetzen. Wenn sich die Technik weiträumig in der Hallertau etabliert, lässt sich der überschüssige Strom für die Wasserstoff-Produktion verwenden. „Eine andere Idee sind Kooperationen mit der Brauwirtschaft. Dann könnten hiesige Brauereien Hopfen und Strom vom selben, vielleicht sogar regionalen Hopfenpflanzer beziehen – und das dann im Marketing nutzen. Die Zeit wäre jetzt reif dafür.“
Wimmer hofft, dass der Bekanntheitsgrad, den sein Projekt mittlerweile erreicht hat, ihm bei der Suche nach Kooperationspartnern hilft. Es wäre im wahrsten Sinne des Wortes eine Win-Win-Situation.