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Scheune im Licht der untergehenden Sonne Diese Romantik wird man heutzutage kaum noch finden, trotzdem sind Farmhouse-Ales gerade schwer angesagt
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Nur für den Hausgebrauch?

Farmhouse Ales sind eine Spezialität aus dem hohen Norden, die es eigentlich gar nicht mehr geben kann: Wo, bitteschön, versorgen sich Bauern noch komplett autark und brauen mit dem, was sie haben, Bier? Doch trotz dieser eigentlich engen Definition üben Farmhouse Ales große Faszination auf Hobby- und professionelle Brauer aus. Also schauen auch wir mal genauer hin.

Kategorie: Farmhouse Ales

 

Von was reden wir denn hier überhaupt? Leider ist diese Frage schwerer zu beantworten, als man denkt. Tatsächlich kann man darüber sogar arg in Rage geraten. Passiert regelmäßig in internationalen (Hobby-)Brauerforen, wenn mal wieder einer die Frage stellt: Was genau, bitte, ist denn eigentlich ein Farmhouse Ale?

 
Bei der Kveik-Hefe war es für Dominik Pietsch „Liebe auf den ersten Blick“ Bei der Kveik-Hefe war es für Dominik Pietsch „Liebe auf den ersten Blick“ 

Versuch einer Definition

 

Worin sich noch alle einig sind: Der Begriff Farmhouse Ale beschreibt keinen spezifischen Bierstil. Das eine Farmhouse Ale, das genau so oder so auszusehen und zu schmecken hat, gibt es nicht. Farmhouse Ale steht für eine bestimmte Art von Bieren. Im Grunde beschreibt der Begriff eher den state of mind, der hinter einem Bier steht. Aber das freilich ist den meisten viel zu schwammig.
Einigen kann man sich auch noch darauf, dass Farmhouse Ales ihren Ursprung in Skandinavien und dem Baltikum haben, womöglich auch in Russland und der Ukraine. Und meist kommt hier eine ganz besondere Hefe zum Einsatz, die Kveik-Hefe.

Zum Glück gibt es einen weltweit geschätzten Experten auf dem Gebiet der Farmhouse Ales, der die erste Anlaufstelle sein sollte, wenn man wissen möchte, wovon wir hier eigentlich reden. Der Norweger Lars Marius Garshol ist eigentlich Softwareentwickler, beschäftigt sich aber als Hobbybrauer und Bierliebhaber seit mehr als einer Dekade intensivst mit dem Thema Farmhouse Ale. Er hat auch das wichtigste Buch in diesem Segment geschrieben, Historical Brewing Techniques – The Lost Art of Farmhouse Brewing und betreibt den sehr informativen Blog zum Thema, „Larsblog“ (www.garshol.priv.no/blog/).  

 

Brutal lokal

 

Laut Garshol waren Farmhouse Ales früher Biere, die auf Bauernhöfen gebraut wurden – und zwar komplett aus Rohstoffen, die ebenfalls von diesen Höfen stammten: Dem lokalen Getreide (musste nicht unbedingt Gerste sein, oft war es gerade im Norden auch Roggen oder Hafer, bisweilen Weizen, es konnten auch mal Kartoffeln oder Erbsen als Stärkelieferant verwendet werden), den Gewürzen (fast immer Wacholder, manchmal Hopfen, häufig dazu ein bunter Mix aus Gagel, Wermut, Kümmel, Johanniskraut, Bitterorangenschale, Schafgarbe, Rainfarn, Lorbeer, Sumpfporst, Heidekraut) und dem eigenen, stetig weitergezüchteten Hefestamm. Und natürlich wurden diese Biere auch da getrunken, wo sie gebraut wurden – auf dem Hof, dem norwegischen Bauernhof irgendwo im wunderschönen „fjälligen“ Nirgendwo.

Dabei war das Bier mehr als ein Getränk, es war auch Nahrung und Teil gelebter Traditionen, wurde bei Ritualen und Festen ausgeschenkt und eine Menge Aberglaube schwang auch immer irgendwie mit, berichtet Garshol. Sei es, dass Bauern nur unter bestimmten Sternenkonstellationen brauten oder beim Hefepitchen laut schrien, um böse Geister (die „vetter“) zu vertreiben, die den Sud sonst verkommen ließen. Moderne Messinstrumente gab es nicht, alles wurde nach Gefühl und alter Gewohnheit gemacht.

 

Das Ergebnis 

 

Jeder Hof hatte sein eigenes Bier, was erklärt, warum die Bezeichnung Farmhouse Ale auch heute keinen bestimmten Stil beschreiben kann. Allerdings funktioniert die Definition darüber, dass es autark auf Bauernhöfen gebraut sein muss, heutzutage auch nicht mehr. Denn solche Höfe gibt es kaum mehr.

Überraschenderweise geht Garshol bei seiner Definition über den Geschmack des Bieres: Farmhouse Ales schmecken anders als klassische, kommerzielle Biere (bspw. sind sie in der Regel kaum/gar nicht karbonisiert und immer trüb), argumentiert er und sieht den Stil damit eigentlich im Heimbrauerbereich zuhause. Dennoch gesteht er Brauereien, die aus einer klaren Farmhouse Ale Tradition heraus erwachsen sind, völlig zu, dass sie diese Biere kommerziell brauen.

 
Ein Hefekranz aus dem Jahr 1877, ausgestellt im Nordischen Museum, Insel Djurgården in Stockholm, Schweden Ein Hefekranz aus dem Jahr 1877, ausgestellt im Nordischen Museum, Insel Djurgården in Stockholm, Schweden 

Farmhouse Ales heute

 

Betrachtet man hingegen Craft Brauereien, so Garshol, die sogenannte „Farmhouse Ales“ anbieten, sei die Sache komplizierter: Kann das, was ein junges Unternehmen mit dem Ziel, es zu verkaufen, in einer (modernen) Brauerei aus gekauften Rohstoffen braut, tatsächlich ein Farmhouse Ale sein? „Neo-Farmhouse“ oder „Farmhouse-Replica“ wären – so das Endprodukt geschmacklich überzeugt und bei Rohstoffen und Prozessen darauf geachtete wird, Traditionen zu entsprechen – Bezeichnungen, die Garshol durchgehen ließe.

Und dann kann der Fall ja auch noch so sein: Junge Brauereien lassen sich von einer alten Tradition zu Neuem inspirieren. So etwa ist das bei Dominik Pietsch, Gründer und Geschäftsführer der Brauerei Flügge in Frankfurt am Main. Natürlich ist er sich der Strittigkeit des Begriffes Farmhouse Ale überaus bewusst. Aber oft und gern handelt er nach dessen Prinzip: „Wir bedienen uns etwa immer – wenn es geht – der lokalen Anbieter von Rohstoffen. Und hier liegt alles vor den Toren Frankfurts, da kann man tolle Sachen machen“, so der Craft Brauer. Bier-Wein-Hybride, etwa.

Was die Flügge-Biere außerdem auszeichnet und in der Tradition der Farmhouse Ales steht, ist, dass Pietsch ein Faible für Kveik hat. „Das war Liebe auf den ersten Blick“, sagt er. Als das Thema „Brauen mit Kveik“ vor einigen Jahren in diversen Foren besprochen wurde und die ersten Hefebanken erkannten, dass hier Potential schlummerte und sie die ersten Reinzucht-Kveiks anboten, probierte er, damals selbst noch ein Hobbybrauer, das einfach mal aus.

Interessant ist, dass der Norweger Garshol die Verwendung von Kveik nicht als entscheidenden Faktor heranzieht. Obwohl traditionelle, norwegische Farmhouse Ales nahezu alle mit Kveik gebraut wurden.

Ursprünglich war „Kveik“ ein norwegischer Dialekt für Hefe. Inzwischen definiert Garshol Kveik aber so: „Kveiks sind Saccharomyces cerevisiae, die alle von einer einzigen Familie abstammen. Sie sind alle miteinander verwandt, ein separater Ast des Stammbaums für Brauhefen.“ In der traditionellen Farmhouse Ale-Herstellung würde die Kveik behutsam immer weiter kultiviert, in Flaschen gelagert oder auf Tüchern oder Holzringen (kveikstokkern) getrocknet. So hatte irgendwann jeder Hof seine ganz eigene Kveik-Kultur.

 

Kveik – aromatisch, rasant und warmherzig

 

All diesen Kulturen war eines gemein: Kveiks sorgen für spektakuläre Aromen, arbeiten gern bei recht warmen Temperaturen, können viel Alkohol ab und sind rasant schnell: Pitching-Temperaturen liegen zwischen 25 und 43 °C, oft ist die Gärung nach 48 Stunden schon durch. Lagerzeiten gehen gegen Null, viele Kveik vergorene Biere sind direkt nach der Fermentierung bereits trinkbar. Man braucht auch gar nicht viel Kveik – aber die Kveik braucht relativ viel Sauerstoff, um gut zu arbeiten.

„Wir haben einen großen Spieltrieb, sind recherche- und experimentierfreudig. Eigentlich vergeht keine Woche, in der wir nichts Neues ausprobieren“, erzählt Dominik Pietsch von Flügge. „Und ich war sofort vom Prozess mit der Kveik angetan, die einfache Handhabung ist total überzeugend: man braucht keine Temperatursteuerung, keine Kühlaggregate und keinen Kühlmantel. Das hat uns den Einstieg in das professionelle Brauen erleichtert. Dank der Kveik konnten wir da kostengünstig einsteigen.“

Noch viel wichtiger aber natürlich war für den Brauer: „Mit der Kveik bekommen wir am Ende immer einen ganz besonderen, tollen Geschmack. Superfruchtig und einzigartig. Das lässt sich sehr gut auf unterschiedliche Bierstile übertragen.“ Und so kommt es, dass er Kveik bei Pale Ales und IPAs einsetzt ebenso wie bei Sauer- und Fruchtbieren.
Diese Biere gelten freilich nicht als Farmhouse Ales. Aber es sind Beispiele dafür, wie eine (Brau-)Tradition, die eigentlich tot sein müsste, da die Zeiten sich geändert haben, Neues schaffen kann und damit in gewisser Weise immer noch weiterwirkt.

 
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