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Chevallier-Gerste auf dem Halm im Feld Chevallier, das erfolgreichste englische Ale-Malz aller Zeiten
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Rettung der Artenvielfalt: Die Rückkehr historischer Malzsorten

Brauer wissen, was sie von ihrem Malz erwarten; und Mälzer und Bauern wissen ebenfalls, was sie von ihrer Gerste erwarten. Daher wissen auch Züchter, welche Eigenschaften sie optimieren müssen, um den Anforderungen ihrer Kundenkette gerecht zu werden. Dabei werden sie von vielen Schlüsselvariablen geleitet. Dazu gehören u.a. der Eiweißgehalt der Gerste, die diastatische Kraft, die Verzuckerungszeit, das Extrakt Potenzial, die Friabilität, der Kolbach-Index, der Hartong-Index, die Maischeviskosität, der Lipoxygenase-Gehalt (LOX), die Schädlings- und Krankheitsresistenz, die Dürreresistenz, Standfestigkeit auf dem Feld, der Düngemittelbedarf und die agronomischen Erträge. Moderne, durch genetische Marker gesteuerte Braugerstenhybriden sind ertragreich, aber selten so aromatisch und robust wie klassische Landrassen, die jetzt sowohl wegen ihres vollen Geschmacks als auch ihrer vielfältigen genetischen Merkmale wieder angebaut werden.

Landrasse-Gerste: Eine Zusammenarbeit zwischen Menschen und Natur


Besonders seit der Entwicklung der Genomsequenzierung stehen Pflanzenzüchtern immer mehr hochentwickelte Werkzeuge zur Verfügung, die gezielte, von genetischen Markern gesteuerte Hybridisierungen ermöglichen. Jedoch birgt dieser Fortschritt der Zuchtmethoden auch die Gefahr, dass sich die daraus hervorgehenden Agrarprodukte immer mehr angleichen. Im Extremfall kann das zur Dominanz einiger weniger, genetisch ähnlicher, nahezu perfekter Sorten führen, oder sogar zu einer Monokultur mit geringer Artenvielfalt — eine Tendenz, die bereits in der weltweiten Produktion von Mais und Sojabohnen erkennbar ist.

Die Natur hingegen zielt nicht auf die Optimierung der menschlichen Pflanzennutzung. Stattdessen ist ihr Fokus das Überleben der Arten in möglichst vielen unterschiedlichen Umgebungen. Dabei kommen primär natürliche, zufallsverteilte Mutationen und Hybridisierungen ins Spiel, von denen die meisten in evolutionären Sackgassen enden, jedoch einige sich als hervorragend angepasste evolutionäre Erfolge entpuppen. Das führt insgesamt zu einer riesigen Artenvielfalt mit einem reichen Genpool und endlosen Variationen von Merkmalen.

Seit der neolithischen Revolution vor etwa 12.000 Jahren haben Landwirte der Natur dabei Hilfeleistung gestellt, indem sie beim Anbau von Nutzpflanzen nur die besten Individuen in einer ansonsten homogenen Parzelle für die Fortpflanzung auswählten. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit zwischen Menschen und Natur ist die Entwicklung stabiler Landrassen, oft mit nur einem einzigen Gen Satz, und zwar ihrem eigenen, und ohne überflüssige Gene, die u.U. aus weit zurückliegenden Hybridisierungen ihrer Ahnen stammen. Aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit haben sich solche Landrassen seit undenklichen Zeiten in den unterschiedlichsten Terroirs behauptet. Das führt bei der Verwendung durch den Menschen zu vielen unterschiedlichen Geschmackserfahrungen. Somit ist die Vielfalt der alten Sorten ein Teil des kulinarischen Erbes der Menschheit.


Der Einzug der Genetik in die Pflanzenzüchtung

Diese natürliche Artenvielfalt ist jedoch heute bedroht. Dieser Wandel ist überwiegend den Erfolgen der Genetik seit Gregor Mendels einfacher Theorie der „vererbbaren Elemente“ im Jahre 1865 zuzuschreiben. Unsere modernen Züchtungsmethoden produzieren neue Pflanzen, die ihren natürlichen Vorfahren in vieler Hinsicht überlegen sind. Diese Entwicklung hat leider zum Aussterben vieler Terroir-angepasster Landrassen geführt; und viele Gene sind uns für immer verloren gegangen … einfach, weil die Landwirte den Anbau dieser Sorten eingestellt haben. Neue, hochgezüchtete Nutzpflanzen erzielen durchweg höhere agronomische Erträge, mehr Gewinn und besser vorhersehbarere Verarbeitungsergebnisse, was für Bauer, Mälzer und Brauer wirtschaftlich entscheidend ist. Auch Verbraucher profitieren dabei von Bieren mit gleichbleibender Qualität und längerer Haltbarkeit.

Biodiversität – Das Versicherungsprogramm der Natur 

Diese Fortschritte sind jedoch nicht ohne Kosten. Was moderne Gerstensorten und die daraus hergestellten Malze an Perfektion und Zuverlässigkeit gewonnen haben, haben sie oft an Charakter verloren. So fehlen bei modernen, auf Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion ausgerichtete Sorten oft die satten Malznoten, die noch bis vor nur wenigen Jahrzehnten bei Braugersten selbstverständlich waren. 

Darüber hinaus ist die kontinuierliche Anpflanzung der gleichen Sorten auf dem gleichen Boden auf lange Sicht nicht mehr umweltfreundlich, da sie das natürliche Gleichgewicht des Bodens durch die Erschöpfung der Nährstoffe beeinträchtigt. Ausgemergelte Böden benötigen nämlich zunehmen mehr Düngemittel, um die erwarteten hohen Erträge Jahr zu Jahr zu liefern. Je mehr sich der Anbau von Nutzpflanzen der Monokultur nähert, umso mehr greifen Schädlinge und Krankheitserreger die Gelegenheit auf, sich selbst an die giftigsten Herbizide und Pestizide anzupassen, gegen sie resistent zu werden und schließlich ihre Wirtspflanzen zu überwältigen. Da die Gegenmaßnahmen in diesem Kreislauf immer aggressiver werden müssen, beeinträchtigen sie auch zunehmend die Bodenfruchtbarkeit, den landwirtschaftliche Abfluss und die Umwelt allgemein. Eine Wiederherstellung der ursprünglichen Verhältnisse ist jedoch oft nicht möglich, da der aufgrund des Verlustes der Landrassen-Artenvielfalt schrumpfende Genpool das für eine Rettung erforderliche genetische Material nicht mehr vorrätig hat.

Chevallier: Die Rettung eines klassischen englischen Ale Malzes

Während der Anbau optimierter „Vollblut“-Pflanzen auf kurze Sicht wirtschaftlich attraktiv erscheint, ist er auf lange Sicht oft problematisch. Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb Züchter, Mälzer und Brauer jetzt einige Landsorten aus der Vergangenheit „wiederentdecken“, sofern deren Samen in speziellen Depots lebensfähig gehalten wurden. Eine solche Genbank für Gerstensorten ist die Germplasm Resource Unit des John Innes Centre in Norfolk, Großbritannien, welche in Zusammenarbeit mit der Crisp Malting Group aus Great Ryburgh, die englische Klassiker-Landrasse Chevallier als Tennen Malz wiederbelebt hat. Chevallier ist eine zweizeilige Sommerbraugerste, die ein Pfarrer, der Reverend Dr. John Chevallier, 1820 rein zufällig in Suffolk entdeckt hat. [1]

Diese Gerste entpuppte sich schnell zu einer der erfolgreichsten britischen Landsorten, denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieses Malz in mehr als 80 Prozent aller britischen Ales verwendet. Chevallier war „wahrscheinlich die am weitesten verbreitete und bekannteste Gerstensorte, die hervorragende Erträge mit guter Friabilität, fast durchsichtigen Spelzen, einem hohen Stärkeanteil und großem Körnergewicht hervorbringt.“ [2] In seiner Blütezeit wurde Chevallier zusätzlich auf dem europäischen Kontinent, in Kalifornien, Chile, Australien und Neuseeland angebaut. Etwa um 1920 verschwand diese Sorte jedoch vollkommen, denn sie hatte relative hohe Halme und eine geringe Standfestigkeit. Daher wurde sie fast vollständig durch kürzere, ertragreichere Hybridsorten wie Plumage Archer und Spratt Archer ersetzt.

Haná, die Mutter aller Lagerbier-Malzsorten

Ein weiteres bedeutendes historisches Malz, welches von der Crisp Malting Group neu aufgelegt wurde, ist Haná, die weltweit wohl bedeutendste zweizeilige Sommerbraugerstensorte für Lagerbiere. [3] Sie stammt aus dem Haná-Tal, einer fruchtbaren landwirtschaftliche Ebene in Mähren (heute Teil Tschechiens). Es war Haná-Malz, mit dem die Měšťanský Pivovar (Bürgerbrauerei) von Plzeň (Pilsen) in Böhmen 1842 das erste Pilsner gebraut hat. Die hochwertigen Eigenschaften von Haná im Feld, in der Mälzerei und in der Brauerei sind seitdem in viele andere Sorten eingegangen. So trug sie ihre Gene z.B. zur Züchtung der sogenannten „Proskowetz Hanna Pedigree“ Sorte bei, die von 1884 bis 1958 angebaut wurde. Gleichsam lieferte sie einen Teil der Erbmasse der Sorte Opavský Kneifl, die 1926 gezüchtet wurde. Als Träger der alten Haná-Gene fungierten diese beiden Sorten als Grundstein für Generationen leistungsstarker Braugersten. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts gehörten zu den Sorten mit Haná-Genen die tschechischen Sorten Valtice (oder Valtický) und Diamant, die zwischen 1956 und 1965 entwickelt wurden, sowie die ostdeutsche Sorte Trumpf (auch Triumph, Triumph und Trumph geschrieben), die 1973 auf den Markt kam. Heute findet man Gene von Diamant und Trumpf in den Stammbäumen von rund 150 Gerstensorten weltweit. Die ursprüngliche Haná aus dem 19. Jahrhundert gilt daher international als bedeutendster Vorläufer moderner Braugersten von höchster Qualität.

Ausblick

Die Wiederaufnahme des Anbaus altbewährter Sorten wie Chevallier und Haná aus archiviertem Saatgut ermöglicht es modernen Brauern, klassische Bierstile aus dem 19. Jahrhundert mit authentischen Aromen nachzubilden. Zudem bleiben ihre Gene und Merkmale den Züchtern auch weiterhin erhalten.


Save the date

Auf der BrauBeviale 2024 versammeln wir Experten zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Wiederbelebung historischen Gersten- und Malzsorten in Nürnberg. Die BrauBeviale findet vom 26.-28. November 2024 im Messezentrum Nürnberg statt.

Quellen


[1] Horst Dornbusch, Heirloom & Terroir Malts for Heirloom & Terroir Beers: The Next Wave in Craft Brewing?, The New Brewer, November/December 2015.
[2] Henry Stopes, Malt and Malting, an Historical, Scientific, and Practical Treatise, 1885.
[3] Horst Dornbusch, Haná, in Garrett Oliver (Editor) & Horst Dornbusch (Associate Editor), The Oxford Companion to Beer, 2011.
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