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Vorbild aus dem Ruhrgebiet
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Sylvia Kopp im Gespräch mit Michaela HabbelMit 23 in die Geschäftsführung eingestiegen
Naturverbunden, selbstbewusst, aufgeschlossen und direkt – dies sind einige Attribute der Frau, die die Destillerie & Brennerei Heinrich Habbel in Sprockhövel im Ruhrgebiet anführt: Michaela Habbel ist die erste weibliche Nachfolgerin des 1878 gegründeten Betriebes. Seit Anfang 2023 hat sie die alleinige Geschäftsführung: „Das ist aber reine Formsache“, sagt die 34-Jährige lachend, „in Wirklichkeit bin ich Mädchen für alles und arbeite in allen Bereichen mit: Verwaltung, Produktion, Produktentwicklung, Vermarktung.“Dabei hat die 34-Jährige sehr früh Verantwortung übernommen. Nach ihrem Abi studierte sie zunächst Jura und jobbte nebenbei in der Brennerei und Gastronomie ihrer Familie. 2011 stieg sie voll ein und absolvierte zusätzlich eine berufsbegleitende Ausbildung zur Betriebswirtin. Seit 2013 führt sie die Geschäfte, zuerst zusammen mit ihrem Vater Michael Habbel, nun allein. Als sie in Führung ging, war sie 23 Jahre jung. Die erste Zeit sei stark davon geprägt gewesen, den eigenen Platz zu finden und anzukommen. „Anfangs habe ich mich schon sehr hinterfragt,“ so Habbel, „bis ich gemerkt habe, dass es nicht darum geht, was ich muss, sondern was ich möchte.“ Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Zuspruch und Gegenwind – Michaela Habbel hat, wie sie selbst sagt, gelernt, alle Erfahrungen mit Dankbarkeit anzunehmen, sich zu fokussieren und Chancen zu ergreifen. „Heute“, sagt sie selbstbewusst, „stelle ich mich nicht mehr in Frage.“
Verarbeitung von Obst aus eigenem Anbau
Ihre Brennerei mit Restaurant und angeschlossenem Obstanbau liegt im Sprockhöveler Ortsteil Uellendahl umgeben von Wäldern und landwirtschaftlich genutzten Feldern. „Ich bin in einem Betrieb, der es mir erlaubt, mit der Natur zu arbeiten, aus natürlichen Rohstoffen Produkte herzustellen“, freut sich Habbel. So habe sie bereits als Kind Fichtenspitzen gesammelt und ihren Vater angeregt, diese in der Produktion zu verwenden. Für das Sprockhöveler Herbstfest hat sie mit ihrem Team einen Quittenlikör entwickelt. „Die Quitten stammen aus dem eigenen Anbau, den Quittensaft haben wir selbst gemacht“, so Habbel.
Sie liebe es, mit ihren zwei Hunden, einem Mops und einem Briard-Kangal-Mischling, loszuziehen: „Immer mit der Nase an dem, was Wald und Wiese saisonal zu bieten haben.“ Das Produzieren im Einklang mit den Jahreszeiten, leben und arbeiten im Kreislauf mit der Natur empfindet Habbel als erfüllend.
Liebe zum Produkt verbindet
Und dann geht es in ihrer Branche ja auch um Geselligkeit. „Ich hab mit Menschen zu tun in einem Feld, das Genuss, Freude und Entspannung bietet“, sagt sie. Viele Kunden, insbesondere beim Whisky, seien Kenner und teilen eine große Liebe zum Produkt. Das sei sehr verbindend.
Die meisten ihrer Gäste und Kunden kommen aus der Umgebung. Wie Habbel erzählt, gilt Sprockhövel als „Wiege des Ruhrbergbaus“, weil sich hier viele Zuliefererbetriebe für den Bergbau angesiedelt haben. Da rede man „frei nach Schnauze“. „Hier werden andere offen empfangen, man kommt direkt zur Sache, ich mag diese Art“, betont sie. Dass Michaela Habbel da mithalten kann, merke ich übrigens gleich. Ihre authentische, gradlinige Art schafft sofort Vertrauen. Und macht gute Laune!
Das Familienerbe weiterführen
Bei aller Naturverbundenheit, Liebe zum Produkt und Geselligkeit schöpft Habbel den tieferen Sinn ihrer Arbeit jedoch aus dem Familienerbe, das sie in vierter Generation angetreten ist, weiterzuführen. „Es geht hier nicht um mich, es geht um was Größeres“, sagt sie.
Die Destillerie & Brennerei Heinrich Habbel ist heute die größte Obstbrennerei in der Region und zugleich eine der wenigen, die überlebt haben. Als landwirtschaftliche Kornbrennerei mit Viehwirtschaft und Gaststätte gegründet, wurde der Betrieb in den 70er Jahren von ihrem Vater Michael Habbel um die Produktion von Obstbränden und Likören erweitert.
Auch der „Uralter Whisky“, 1977 als erster Whisky Deutschlands lanciert, ist eine Innovation ihres Vaters. Mittlerweile ist die Viehwirtschaft dem Obstbau gewichen. Und aus der Gaststätte ist ein kulinarisch anspruchsvolles Restaurant mit großer Wein- und Spirituosenauswahl geworden, das erfolgreich von einem Pächter betrieben wird.
Zwölf Mitarbeiter sind in der Brennerei beschäftigt: „Wir sind wie eine Familie“, betont Michaela Habbel, „da wird offen diskutiert ohne Rücksicht auf die Hierarchie.“ Das Organigramm sei eigentlich gar nicht spürbar, bemerkt sie. Der Vertriebsleiter sei sogar länger im Betrieb, als sie lebe: „Der verbindet mit der Brennnerei genau so viel Leidenschaft“, so Habbel, „wir sagen immer, die Branche hat uns verzaubert.“ Überhaupt ist sie vom Engagement ihres Teams begeistert, oft sogar echt berührt, wenn die sich weit über alle Erwartungen ins Zeug legen, wie neulich auf dem Herbstfest.
Engagiert für Whisky
Mit dem Eintritt von Michaela Habbel in die Geschäftsführung erfuhr die Whisky-Produktion eine noch stärkere Gewichtung. 2013 investierte die Brennerei in den Bau einer neuen Destillerie: die Hillock Park Distillery. Für die neue Pot-Still-Destillierblase hat sie eigens die Helmform entwickelt – nach schottischem Vorbild. Whisky ist ihr Herzensprojekt: „Das luxuriöseste Produkt überhaupt“, so Habbel, „die Reifung braucht viel Zeit, das ist sehr entschleunigend.“
Unter dem Hillock-Park-Label werden eine große Bandbreite an Single Malts, Single Casks, Triple Woods und Peated Whiskys und Ryes sowie Whisky-Liköre angeboten werden. Habbel selbst mag am liebsten die getorften Black-Labels, wie den Hillock 5 ¾ Peated Single Malt, der nach fünf Jahren ein 9-monatiges Finish in Pedro-Ximinez-Fässern erfuhr. Für den Whisky engagiert sie sich sogar über die eigene Firma hinaus: 2018 hat sie die Präsidentschaft des Verband Deutscher Whiskybrenner (VDW) übertragen bekommen.
Expansion – aber überschaubar
Ihre Brennerei leitet Habbel, wie sie sagt, zusammen mit drei Mitarbeitern im engeren Führungskreis, dem Produktionsleiter, dem Marketing-Chef und dem Vertriebsleiter. „Wir wollen den Vertrieb ausbauen“, sagt sie. Aus diesem Grund wird aktuell auch in eine neue voll-automatische Abfüllanlage investiert: „Das entlastet enorm“, so Habbel, „wir legen zwar Wert auf eine Hand gesteuerte Destillierblase, aber das Abfüllen der Flaschen und Aufkleben der Labels darf automatisch geschehen. Das bindet zu viele Mitarbeiter.“
Somit steht der Kurs der Destillerie & Brennerei Heinrich Habbel auf Expansion: „Nicht weltweit, aber auf eine gut überschaubare Größe“, betont Michaela Habbel. Muss ich noch erwähnen, dass sie – bei aller Courage – auch ein sehr bodenständiger Mensch ist?
Ebenfalls in der Reihe women4beverages erschienen:
women4beverages: Giovanna Merloni, Gründerin der Farmhouse Brewery IBeer
women4beverages: Barb Grossenbacher, Edelwhite Gin
women4beverages: Anne-Françoise Pypaert, Braumeisterin von Orval
women4beverages: Garlonn Kergourlay, Brauerei Beraterin
women4beverages: Julia und Marie Wasem vom Startup Weingut Wasem Doppelstück
women4beverages: Jasmin Haider-Stadler, Waldviertler Whisky J. H.
women4beverages: Katharina Kurz, BRLO